Ein lebenswertes Klingenberg soll umweltgerechter werden

Der Kreisbaumeister Andreas Wosnik (rechts) diskutiert über nachhaltiges Bauen
Kreisbaumeister Wosnik referiert zu nachhaltigem Bauen

Um die Entwicklung nachhaltigen Wohnraums in Klingenberg ging es in der letzten Ortsversammlung der Klingenberger Bündnisgrünen. Als Gastredner war Kreisbaumeister Andreas Wosnik eingeladen, der gleich zu Anfang seinem Wunsch Ausdruck verlieh, mit seinem Impulsvortrag der Idee nachhaltigen Bauens in Klingenberg weiteren Schwung zu verleihen. Seine Grundsatzforderung angesichts demografischer Entwicklung und sozialer Ungleichheit: Die lebenswerte Stadt der Zukunft muss umweltgerechter werden, öffentliche Räume müssen gerade in Klingenberg mit Leben gefüllt werden, indem man Orte der Begegnung schafft. Das könne allerdings nur im Dialog mit der Bevölkerung geschehen.

Dass städtebauliche Entscheidungen nicht allein im Stadtrat beraten und entschieden werden sollten, hatte schon die grüne Stadträtin und Fraktionssprecherin Judith Mündel-Hechtfischer in ihren Einleitungsworten gefordert. Sie definiert Nachhaltigkeit als Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und Akzeptanz der Bevölkerung, die auf sozialer und kultureller Qualität der Maßnahmen gründen solle.

Wosnik führte in seinem Vortrag aus, dass seit den 90ern zum Thema Nachhaltigkeit viel geschrieben, aber wenig erreicht worden sei: „Die Konzepte sind da, wir wollen sie aber nicht umsetzen, das ist das Problem!“ Wosnik zählte „pain points“, also Mängel auf, unter denen man auch in Klingenberg leide: Bei gleichzeitigem Wohnungsmangel gebe es viele Leerstände und unbebaute Grundstücke, zur Problematik fehlender Nahversorger gesellen sich explodierende Energiekosten und die negativen Folgen der Trockenheit. Durch die Dynamik der Probleme nehme die Resilienz, also die Anpassungsfähigkeit, immer stärker ab. Der Kreisbaumeister mahnt deshalb in allen Kommunen ein Freiflächenkonzept an, das der Versiegelung der Böden entgegenstehen müsse. Insgesamt wirft er den Kommunen vor, sich über die Innenentwicklungspotenziale gar nicht im Klaren zu sein. Dabei lägen die Vorteile doch auf der Hand: Neben Bodenschutz, Erhalt des Stadtbilds bei gleichzeitiger Ortskernbelebung und der Vergrößerung der Aufenthaltsqualität könnte man gleichzeitig die notwendige Infrastruktur sichern.

Allerdings seien Maßnahmen innerorts mit großen Vorurteilen behaftet, wobei die Vorstellungen, die Wohnqualität würde durch die Innenverdichtung gemindert und es würden überteuerte Einzelfalllösungen realisiert, weit verbreitet seien. Wosnik beklagt, dass oft belastbare Wirtschaftlichkeitsdaten, die konkurrierende kommunale Innen- und Außenentwicklungsprojekte realistisch miteinander vergleichen, fehlen würden. „Das Geld ist nur einmal da“, gibt Wosnik zu bedenken. Deswegen entschieden sich viele Stadt- und Gemeinderäte immer wieder für Neubau auf der grünen Wiese. Dabei sei das auch durch die Folgekosten der neuen Infrastruktur weniger wirtschaftlich. Der Kreisbaumeister hält deswegen ein Plädoyer für die Altbausanierung. Die sei allein wegen der so genannten grauen Energie, die für die Herstellung, den Transport, die Lagerung, die Errichtung und spätere Entsorgung der Bestandsbauten bzw. deren Materialien aufgewandt wurde bzw. beim und nach dem Abriss verbraucht werden würde. „Städtebau hat nichts mit Gewinn zu tun, sondern mit Wirtschaftlichkeit“, lautet Wosniks Credo, das bei den Anwesenden auf breite Zustimmung traf.

Dass es anders geht, macht er an Beispielen aus dem Landkreis deutlich. Als Vorzeigeprojekte sieht Wosnik den Umbau inklusive Erweiterung eines alten Gebäudes in Kirchzell zur „Parkscheune“, aber auch die Sanierung und Umnutzung des alten Rathauses bzw. der alten Schule in Kleinheubach.

Bürgerbeteiligung bei der Erstellung kommunaler Entwicklungskonzepte sieht Wosnik als absolutes Muss an. Er empfiehlt außerdem, städtische Grundstücke nicht leichtfertig aus der Hand zu geben. Über Erbbaupachtverträge könnten die Kommunen aktiv auf Bau- und Mietkosten Einfluss nehmen, weil so die hohen Aufwendungen für den Grundstückserwerb verkleinert würden. Überhaupt empfiehlt er, dass die Kommunen als Bauherren auftreten sollten, weil sie so deutlich mehr Einfluss auf die Gestaltung von sensiblen Innerortsbereichen hätten. Um besser für die Zukunft planen zu können, sei ein Leerstandskataster von Nöten, das nicht nur den aktuellen, sondern auch drohenden Leerstand erfasst. Zur Mietsteigerung in Klingenberg führt er aus, dass sich der durchschnittliche Mietpreis von 2012 bis 2021 von 5 Euro auf 7,60 Euro gesteigert habe, inzwischen aber bei Neuvermietungen 10 Euro Kaltmiete keine Seltenheit seien. Am meisten hätten Alleinstehende unter den Mietpreissteigerungen zu leiden, weswegen Wosnik von allem den Bau kleinerer Wohnungen ins Blickfeld rückt. Wenn diese zur Verfügung stünden, würde so mancher Single aus einem zu groß gewordenen Haus ausziehen und so auch Platz für junge Familien geschaffen.

Den anwesenden Stadträt*innen gibt der Kreisbaumeister angesichts oftmals verwirrender Darstellungen beauftragter Architekturbüros, die laut der Erfahrung des Klingenberger zweiten Bürgermeisters Harald Fischmann immer den Neubau gegenüber der Altbausanierung in ein günstiges Licht rückten, abschließend die Worte seines ehemaligen Dozenten mit auf den Weg: „Was ich nicht verstehe, ist verkehrt

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