Leserbrief von Harald Fischmann – ungekürzte Fassung

Zum Artikel „Flucht aus der Not in die Hölle“ vom 8/9.Februar 2014
aus dem Boten vom Untermain

Kein Vergleich mit der Hölle

Wer auf Missstände hinweisen und politisch etwas erreichen will, muss in seiner Wortwahl komplizierte Sachverhalte oftmals einfach und plakativ darstellen. Dabei besteht auch immer die Gefahr zu übertreiben. In seinem Vortrag zur Asylpolitik in Klingenberg war sich der grüne Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz dieses Dilemmas durchaus bewusst. Er hat deswegen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der im Einladungstext recht reißerisch formulierte Gegensatz zwischen dem laut Seehofer paradiesischen Bayern und der Realität für Flüchtlinge und Asylsuchende durch den Vergleich mit einer „Hölle“ nicht richtig wiedergegeben sei. Wörtlich: Er könne sich nicht vorstellen, jemals einen solchen Vergleich benutzt zu haben, auch wenn er immer wieder in der Presse zitiert werde. Kekeritz’ Schilderungen an dem Vortragsabend machten dann auch sehr deutlich, dass viele Flüchtlinge wegen der Lebensbedingungen in ihren Heimatländern, aber auch in den großen Flüchtlingslagern der Welt durch ihre Flucht nach Deutschland der „Hölle“ geradezu entstiegen sind. Ansonsten ist es sehr erfreulich, dass das Thema in der hiesigen Berichterstattung einen breiten Raum einnimmt. Es ist aber dem Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer in diversen Arbeitskreisen, die sich für die Belange der Asylbewerber einsetzen, geschuldet, ihr Werben um Verständnis für die Notlage der betroffenen Menschen nicht durch maßlose Vergleiche in Misskredit zu bringen. Die Diskussion des Abends hat diesbezüglich gezeigt, dass die menschenverachtende CSU-Kampagne verfängt, die den Untergang Deutschlands mit dem Unwort des „Sozialtourismus“ heraufbeschwört: Die Ängste vor Asylbewerberunterkünften um die Ecke, aber auch Neid wegen der staatlichen und privaten Hilfsmaßnahmen sind in der Bevölkerung vorhanden. Aufgrund der Sensibilität des Themas müssen pauschalierende Übertreibungen jedoch unterbleiben. Am Beispiel der Asylbewerber Klingenbergs lässt sich sagen, dass hier noch viel an der Lebenssituation der Flüchtlinge und Asylsuchenden verbessert werden muss, damit der Begriff der Menschenwürde nicht zu einer hohlen Phrase verkommt. Keiner der betroffenen Menschen würde jedoch behaupten, in eine „Hölle“ geflohen zu sein – dies verhindert allein schon das Bürgerengagement vor Ort.

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