„Wir alle sind Experten in Sachen Menschenrechte“

MdB Uwe Kekeritz schämt sich für bayerische Asylpolitik

Auf einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Heimat für alle. Menschenwürdige Asyl- und Flüchtlingspolitik vor Ort“ ging Uwe Kekeritz im Klingenberger Gasthof „Zum Rebstock“ mit der Asylpolitik insbesondere in Bayern hart ins Gericht. Heruntergewohnte Sammelunterkünfte, lieblos zusammengestellte Essenspakte und eine unzureichende medizinische Versorgung sind nur die Schlagworte für einen unwürdigen Umgang mit Menschen, die sich dem Schutz des deutschen Staates anvertraut hätten. Kekeritz distanzierte sich ausdrücklich von dem viel zitierten Vergleich mit einer „Hölle“. Von der „Vorstufe des Paradieses“, wie Seehofer Bayern anpreise, seien die skizzierten Lebensverhältnisse aber meilenweit entfernt.
Der Klingenberger Ortssprecher Harald Fischmann führte ins Thema ein, indem er die Situation in Klingenberg skizzierte: Hier seien in zwei Unterkünften 50 Asylbewerber nur vorübergehend untergebracht, sodass die Fluktuation sehr hoch sei und eine Integration in die Gemeinde schon wegen der relativ kurzen Aufenthaltszeiträume gar nicht gelingen könne.
Laut Fischmann ist das Schreckgespenst des „Sozialtourismus“ in den Köpfen vieler Bürgerinnen und Bürger präsent, insofern habe die menschenverachtende CSU-Kampagne unter dem Motto „wer betrügt, der fliegt“ Wirkung gezeigt. In der Praxis sei die Absicht der bayerischen Staatsregierung unverkennbar: Obwohl der entsprechende Passus letztes Jahr aus der Asyldurchführungsverordnung gestrichen wurde, ist die Art der Unterbringung der AsylbewerberInnen immer noch so beschaffen, „dass sie die Rückkehrbereitschaft in die Heimatländer fördert“. Als Fischmann das Wort an den „Asylexeperten“ Kekeritz übergeben wollte, stellte dieser sofort klar: „Beim Thema Asyl sind wir alle Experten, denn da geht es um die Menschenrechte!“
In seinem anschließenden Vortrag machte Kekeritz deutlich, dass er die Aufregung um die hohe Zahl an Flüchtlingen und Asylsuchenden in Deutschland nicht verstehen könne. Wenn man die Zahl der Flüchtlinge im Libanon mit denen in Deutschland ins gleiche Verhältnis setzen wollte, müsste es in Deutschland weit über 20 Millionen geben. Angesichts von beispielweise erst 2500 von zugesicherten zehntausend syrischen Flüchtlingen in der BRD kann er die Häme vieler türkischer Politiker, die in ihrem Heimatland mit über 700000 Flüchtlingen konfrontiert sind, gegenüber den deutschen Lippenbekenntnissen verstehen. Der Allgäuer Kekeritz, der sich als Entwicklungspolitiker viele Flüchtlingslager weltweit vor Ort angeschaut hat, schämt sich nach eigener Aussage immer wieder, wenn er in bayerische Asylbewerberunterkünfte schaut. „Da regnet es durchs Dach und in den Duschen sprießt der Schimmel.“
Gleichzeitig verdienen sich manche Betreiber laut Kekeritz „dumm und deppert“, die im wahrsten Sinne des Wortes aus der Situation der Landkreise Kapital schlagen, die dringend Unterkünfte für die ihnen zugewiesenen Asylbewerbern suchen. Viele Bürgermeister, aber auch Bürgerinitiativen verschlimmerten die Situation vor Ort noch dadurch, dass sie die Innenstadtbereiche von Flüchtlingen „freihalten“ und sie stattdessen an die Ortsränder abschieben wollen. Mit dem so genannten „Coburger Modell“ ließen sich solche Auswüchse eines „Marktes für Menschen“ beseitigen, meint Kekeritz. Das Modell sieht nämlich vor, Asylbewerber nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften, sondern in leer stehenden Privatwohnungen dezentral unterzubringen. Das würde auch zu einer gerechteren Verteilung der Asylbewerber in den einzelnen Kommunen führen und wegen der geringeren Anzahl pro Ortschaft wären auch die Integrationsbemühungen stärker von Erfolg gekrönt.
Als wichtige Aufgabe vor Ort sieht Kekeritz, den Menschen dabei zu helfen bei uns selbstbestimmt zu leben. „Die oftmals immer noch vorhandene Praxis der Essenspakete ist eine bewusste Missachtung dieser Selbstbestimmung“, so Kekeritz.
Der Bundestagsabgeordnete lobte das Engagement des Klingenberger Arbeitskreises, der sich laut Fischmann zum Ziel gesetzt hat, für die Flüchtlinge und Asylsuchenden, denen Zimmer in den Klingenberger Sammelunterkünften zugewiesen wurden, ein „Klima des Willkommens“ zu schaffen. Der persönliche Kontakt sei der beste Weg gegen die zahlreichen Vorurteile: „Wer da mitmacht erfährt als erster, dass im Ort auch nach der Ankunft der Flüchtlinge weder geklaut, noch vergewaltigt oder gemordet wurde!“
Zum Schluss des Vortrags richtete der Grünenpolitiker eine große Bitte an die Zuhörer: „Wenn wieder gegen Flüchtlinge und Asylsuchende gehetzt wird, müsst ihr euch eines vor Augen führen: Sie sind nicht aus Jux und Tollerei bei uns, sondern wegen einer akuten Notsituation.“ In diesem Zusammenhang erinnerte Kekeritz auch an die Jahre 1933 bis 45 in der deutschen Geschichte: „Da waren viele Deutsche froh, dass sie in anderen Ländern aufgenommen wurden!“
Näheres zum Thema Asylpolitik im Kommunalwahlprogramm der Kreisgrünen unter
http://grüne-miltenberg.de/?page_id=551

Autor: Harald Fischmann, Pressesprecher

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